Das Internationale Tabakskollegium Deutschland e.V. hat mich in den erlesenen Kreis seiner Mitglieder berufen. Damit wird meine journalistische Arbeit im Genusssegment Pfeife, Tabak und Zigarre gewürdigt. Willkommener Anlass für ein paar Anmerkungen und Erinnerungen.
„Man möchte das Tabakschmäuchen vor ein schlechtes und leichtes Thun achten, das jeder Bauer kan. Aber ihnen dünkt es nicht so, sondern sie achten es vor die Achte unter den freyen Künsten, gleichwie jener Fantast seine Liebste vor die Zehende unter den Musen; und es erfordert Kunst selbige zu erlernen. Daher gibt es unter ihnen Schüler und Lehrmeister. Es ist ihnen die Sache keine Kurzweil, sondern ein purlauter Ernst.“ Diese Zeilen stammen aus Sigmund von Birkens „Truckner Trunkenheit“, einer freien, mit barocker Lust an derben Bildern verfassten und 1658 veröffentlichten Eindeutschung der „Satyra Contra Abusum Tabaci“ des Jesuitenpaters Jakob Balde.
Zum Weltnichtrauchertag am 31. Mai 2017 war im Nachrichtenportal von t-online.de zu lesen: „Rauchen tötet. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Fakt ist: Wer raucht, muss lebensmüde sein.“
Zwischen der hohen Kunst des Schmauchens und dem Nikotin-Selbstmord liegen gut dreieinhalb Jahrhunderte – und ein kultureller Wandel. Dass Rauchen ungesund ist, ist unbestritten. Anders verhält es sich mit den statistischen Zahlen, mit denen gerne operiert wird. Imre von der Heydt nennt das in seinem lesenswerten und kurzweiligen Buch „Rauchen Sie? Verteidigung einer Leidenschaft“ trefflich „Der Tanz mit dem statistischen Teufel“. Auch wird Rauchen pauschalisiert. Zigarette = Pfeife = Zigarre? Eine ungleiche Formel.
Joachim A. Frank hat dies in seinem „Pfeifen-Brevier“ 1969 schön zusammengefasst: „Den Pfeifenraucher umgibt seit jeher der Nimbus eines besonnenen Mannes (in der Neuzeit sogar mancher Frauen, Anm. tdh), der mit einem gefährlichen Laster so geschickt umzugehen versteht, daß er ihm bei vergleichsweise geringer Gefahr für Leib und Leben den höchstmöglichen Genuss abgewinnt.“
Merke: Der Pfeifenraucher erliegt nicht der Sucht, sondern der Freude.
„pax, amicitia et gaudium“ ist auch der Leitspruch des Internationalen Tabakskollegiums. Es geht eben nicht um das bloße Verbrennen von Tabak und das sprichwörtlich ideelle Bewahren der Asche, sondern um das Weitertragen des Feuers. Um die Pflege zwischenmenschlicher, toleranter, freundschaftlicher Beziehungen im In- und Ausland, geselligen Gedankenaustausch, der Diskussion über kulturelle, menschliche, politische wie wirtschaftliche Themen. Und: Von Spiritus rector und Gründungsvater des Kollegiums, Magne Falkum, ist verbrieft, dass seine Ablehnung gegenüber suchtbezogenem Zigarettenrauchen dem eines militanten Nichtrauchers um nichts nachstand.
Nicht Laster, sondern Lebensauffassung – so formulierte es Tabakskollegiums-Präsident Amadeus Oberle. „Ein Regulativ fürs Wohlbefinden und Kult“, schlussfolgerte die Abendzeitung am 1. Dezember 1986 in einem Seitenaufmacher über die 24. Tagung des Tabakskollegiums. Mit mehr als 300 Teilnehmern. Und Grußbotschaften unter anderem von Frankreichs Staaatspräsident François Mitterand, Bundesarbeitsminister Dr. Norbert Blüm, Kanzleramtschef Dr. Wolfgang Schäuble, den Ministerpräsidenten Dr. Lothar Späth (Baden-Württemberg) und Franz-Josef Strauß (Bayern) oder dem Sohn des Schriftstellers und Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann, Prof. Dr. Golo Mann; nachzulesen im Main Echo vom selben Tag.
Die Veranstaltung fand im alten Rathaus von Miltenberg statt. Und es wurde geraucht, was im Presse-Jargon als „Duft edelster Tabake in den Mauern des über 600 Jahre alten ehemaligen Rathauses der romantischen Kreisstadt“ beschrieben wurde. Heute undenkbar.
Wer in die Annalen schaut und mit Teilnehmern von einst spricht, stößt auf vielerlei Anekdoten. So wie die vom Feuerwehreinsatz bei den Pfeifenrauchern. Mehr als 500 Pfeifenraucher sollen es bei einer Zusammenkunft auf Kloster Engelberg gewesen sein. Die Luft zum Schneiden, als einer der Gäste das Fenster öffnete. Unten im Tal sah ein Bewohner dicke Rauchschwaden aus dem Franziskanerkloster aufsteigen und wählte den Notruf.
Ich bin gespannt auf weitere Episoden aus der Geschichte eines traditonsträchtigen Vereins und spannende Diskussionen fern staatlich oktroyierter Verbote. Die nächste Tagung des Tabakskollegiums soll übrigens in Leipzig stattfinden. Denn wie steht es so schön in unserem Gewandhaus: res severa verum gaudium. Wahre Freude ist eine ernste Sache.